100 Jahre Eisenbahngeschichte in Neu-Isenburg

Wer auf der Landesstraße 3117 durch Neu-Isenburg nach Osten in Richtung Zentrum unterwegs ist, sieht rechts von sich, flankiert von zwei Baumreihen, das Gleis der ehemaligen Verbindungsbahn zum Güterbahnhof. Schienen im Dornröschenschlaf sind heute weder ein seltener noch sonderlich bemerkenswerter Anblick, denn bei keinem anderen Verkehrs- und Transportmittel ist in den vergangenen Jahren der Rückzug aus der Fläche deutlicher geworden als bei der Bahn. Vielerorts sind - bis auf ein paar wenige, in ihrer Umgebung seltsam deplatziert wirkende Relikte, deren frühere Funktion und Bedeutung sich kaum erahnen lässt - alle Spuren eines Bahnbetriebs bereits gänzlich verschwunden.

Dabei waren noch vor 25 Jahren Güterzüge entlang der Carl-Ulrich-Straße ein alltäglicher Anblick und obwohl es sicher Orte mit einem größeren Bezug zur Eisenbahn gibt, war der Bahnbetrieb in Neu-Isenburg vielleicht auch für andere deutsche Kleinstädte typisch. Dazu kamen zwei Werkbahnen im Stadtgebiet, die der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und - westlich der Main-Neckar-Bahn gelegen - der Philipp Holzmann AG auf ihrem bis 2002 genutzten Betriebsgelände an der Gehespitz. Mit dem stetigen Rückgang und der letztendlichen Aufgabe des Stückgutverkehrs sowie der immer stärkeren Ausrichtung der Deutschen Bundesbahn auf Massengüter verlor jedoch auch der Güterbahnhof seine Bedeutung als Umschlagplatz, so dass Anfang der 90er Jahre die verbliebenen Wagen abgeholt wurden und der Bahnhof mit seiner Stilllegung das Schicksal vieler anderer Güterstationen teilte. Von ehemals bis zu zehn privaten Gleisanschlüssen im Stadtgebiet blieb einzig der Anschluss der BfB Verwertungsstelle bestehen, dessen Bedienung mit den zuletzt leuchtend grün lackierten Kesselwagen wie ein Anachronismus in der heutigen Verkehrswelt gewirkt haben muss.

100 Jahre lang war die Güterbahn ein oft übersehener, aber prägender Bestandteil in Neu-Isenburg, bis Ende 2003 der geringe Restbetrieb endgültig eingestellt wurde. Ob es das letzte Kapitel der Stichstrecke gewesen war wird die Zukunft zeigen; eine Reaktivierung im Rahmen der sogenannten Regionaltangente West ist im Gespräch. Die folgenden Seiten sollen derweil eine kleine Rückschau auf die bisherige Zeit darstellen, aber auch einen Ausblick auf die anstehende Entwicklung der momentan brachliegenden Flächen geben.

Benedikt Groh

Neu-Isenburg, im Dezember 2011


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