Das Stellwerk Rs

Zur besseren Bewältigung des nach dem ersten Weltkrieg gestiegenen Verkehrsaufkommen und dem damit zunehmend umfangreicher gewordenen Rangieraufgaben im Güterbahnhof Neu-Isenburg entschied man sich für den Bau eines mechanischen Stellwerks. Der schlichte, zweigeschossige Zweckbau wurde in Mitten der Gleisharfe, direkt am Straßenübergang der heutigen Hugenottenallee zwischen Gleis 103 und den damals neu angebundenen Anschlussgleisen der BfB-Verwertungsstelle errichtet. Das genaue Baujahr ist unbekannt, das Stellwerk dürfte aber zusammen mit der Erweiterung der Gleisanlagen Anfang der 30er Jahre entstanden sein und erhielt die Bezeichnung "Rs".

Aufbau

Der einfache Zweckbau mit einer Grundfläche von etwa 3,2 mal 7,5 Metern besteht aus einem gemauerten Erdgeschoss, welches genügend Platz für die zur Weichenfernstellung erforderlichen Spannwerke bot, sowie einem Fachwerkaufbau, in dem sich die Hebelbank und Handwinden zum herablassen der Schrankenbäume befanden. Diesen erreichte der Weichenwärter über einen freistehenden Treppenaufgang an der Ostseite des Gebäudes. Große Fenster zu allen Seiten ermöglichten eine gute Rundumsicht über die umliegenden Bahnanlagen. Glücklicherweise ist das Stellwerk bis heute erhalten geblieben, was umso bemerkenswerter ist, als dass von Seiten der Stadt Neu-Isenburg jahrelang dessen Beseitigung betrieben wurde. Hintergrund war eine angestrebte Verbreiterung des Übergangs Hugenottenallee, der als Engpass der Verkehrsführung galt. So verkündete die lokale Presse zwischenzeitlich sogar bereits den bevorstehenden Abriss, wie der nebenstehende Bericht aus dem Isenburger Stadtanzeiger vom 1972 belegt:

Aufgaben und Betrieb

thumb InnenansichtDas Stellwerk Rs im Güterbahnhof Neu-Isenburg war ein einfaches Rangierstellwerk, zu dessen Aufgaben neben der Abwicklung und Überwachung des Rangierbetriebs auch die Sicherung der Straßenübergänge gehörte. Ursprünglich konnten von hieraus sowohl die in der Gleisharfe liegenden Weichen 2 bis 7 wie auch die Gleissperren I bis IV durch den Weichenwärter bedient werden, aber auch die beiden Schrankenanlagen an den Straßenübergängen Hugenottenallee und Hermannstraße. Dies geschah mittels mehrerer, in einer Hebelbank zusammengefasster mechanischer Stellhebel sowie zweier Handwinden für die Schrankenbedienung. Als das Güteraufkommen in den 60er Jahren immer weiter zurück ging baute man jedoch die bis dahin fernstellbaren Weichen und Gleissperren auf ortsgestellte zurück und statte sie mit entsprechenden Weichenhebeln und Stellgewichten aus, Spannwerke und Hebelbank im Stellwerk wurden entfernt und sind nicht mehr vorhanden. Lediglich die beiden Schrankenanlagen ließen sich danach von dort und bis zur Einstellung des Bahnbetriebs bedienen, seine eigentliche Funktion hatte das Stellwerk aber zu diesem Zeitpunkt bereits verloren. Der genaue Grund für diese Maßnahme ist nicht bekannt, vermutlich war sie aber dem hohen Wartungs- und/oder Personalaufwand geschuldet.

Heutige Nutzung

Seit Mitte der 80er Jahre befand sich das Stellwerksgebäude in einem sichtbar vernachlässigtem und zunehmend maroden Zustand, der sich nach der Einstellung des Bahnbetriebs noch weiter verschlechterte. Mangelnde Unterhaltung verbunden mit Vandalismus hatten der Substanz des Gebäudes soweit zugesetzt, dass selbst ein Abriss nicht mehr ausgeschlossen werden konnte. Glücklicherweise fand sich mit dem lokalen Modellbahnverein ein neuer Nutzer, der in beträchtlicher Eigenleistung und vielen Arbeitsstunden die nötigen Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahme durchgeführt hat. Dadurch präsentiert sich das Stellwerk Rs, flankiert von den beiden auf Inselgleisen abgestellten Waggons des Vereins, heute wieder in einem gepflegten und ansehnlichen Zustand inmitten des neu gestalteten Kreisels Hugenottenalle / Carl Ulrich Straße / Schleussner Straße.