Geschichte

Der wirtschaftliche Aufschwung Neu-Isenburgs am Ende des 19. Jahrhunderts weckte das Bedürfnis lokaler Geschäftsleute nach einer besseren Erschließung des südlichen Gewerbegebietes. Zwar verfügte die Stadt mit dem Main-Neckar-Bahnhof bereits über eine Anbindung an das Schienennetz, dessen Lage im Westen der Stadt war für die Isenburger Betriebe jedoch sehr ungünstig. Vor diesem Hintergrund und nach Verhandlungen zwischen Stadt und der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, entschied man sich für den Bau einer 2,56 km langen Güterstrecke vom Bahnhof Neu-Isenburg zum neu errichteten Bahnhof Neu-Isenburg (Stadt). Der Betrieb konnte am 1. April 1903 aufgenommen werden und endete erst 100 Jahre später am 19. Dezember 2003.

Schon bald nach der Eröffnung nutzen die ersten Unternehmen die neu geschaffene Möglichkeit Rohstoffe und Güter über die Bahn zu beziehen und ihre Produkte auf dem Schienenweg zu verschicken. Bereits sechs Jahre später weist der Gleisplan von 1909 drei private Gleisanschlüsse aus, darunter die Frankfurter Emailierwerke und die Eisenbauanstalt Rohnstadt & Zweigle.

Spediteur

Den Transport der Güter von der Bahnstation zum Endkunden übernahm i.d.R. der bahnamtlich bestellte Rollfuhrunternehmer, in Neu-Isenburg die Spedition Streb. Diese wurde bereits 1904 von der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion zu Mainz vertraglich dazu beauftragt und blieb es bis zum Ende der Bundesbahnzeit. Anfangs lediglich mit einem Pferdefuhrwerk ausgestattet wurden die Waren später per LKW zugestellt, teilweise auch in die umliegenden Gemeinden. Einzelne Sendungen konnten im Schuppen der Güterabfertigung zwischengelagert werden, in deren Verwaltungsgebäude auch die Büros untergebracht waren.

Straßenroller

Für Betriebe, die über keinen eigenen Gleisanschluss verfügten, ihren Güterverkehr aber trotzdem mit der Bahn abwickelten bestand ab dem Güterbahnhof Neu-Isenburg die Möglichkeit einzelne Waggons per Straßenroller zu transportieren. Entlang der Ladestraße war hierfür im Gleis 105 eigens eine betonierte Stelle zum ab- bzw. aufzugleisen der Waggons vorhanden. Sollte ein Waggon verladen werden wurde dieser mittels einer Seilwinde auf einen mehrachsigen Anhänger gezogen und anschließend mit einer Zugmaschine zum Bestimmungsort gefahren.

 Wie auch anderenorts sank das Güteraufkommen im Bahnhof Neu-Isenburg (Stadt) durch die zunehmende Konkurrenz des Straßenverkehrs ab den 80er Jahren deutlich, so dass ein wirtschaftlicher Betrieb immer schwieriger wurde. Zwar brachten weiterhin tägliche Züge von und nach dem Frankfurter Hauptgüterbahnhof Fracht und Wagen, Aufwand und Kosten standen dazu aber bereits längst nicht mehr in einer sinnvollen Relation. Um Personal einzusparen wurde ab 1988 die Stückgutannahme der Güterabfertigung nicht mehr durch die Deutsche Bundesbahn betrieben sondern von dem bahnamtlichen Spediteur übernommen, zwei Jahre später war allerdings auch damit Schluss und der Betrieb in diesem Teil des Bahnhofs gänzlich eingestellt.

Danach fand in diesem keine planmäßige Bedienung mit Güterwagen mehr statt, eine der wenigen Ausnahmen waren die jährlichen Einzelwagen der Altkleidersammlung des Roten Kreuzes. Für ein spärliches Restaufkommen an Verkehr sorgte noch bis 2003 die BfB Verwertungsstelle, die restlichen Bahnanlagen fielen jedoch rasch in eine Art Dornröschenschlaf und wurden nach und nach von der Natur in Besitz genommen. Der Güterschuppen erfuhr daneben eine Nutzung durch den Verein Kunstbahnhof Neu-Isenburg e.V.

Es dauerte etwa zehn Jahre bis im Rahmen eines der ersten Projekte zur Entwicklung des Geländes das sogenannte "Stadttor", ein modernes Geschäftshaus mit Gewerbeflächen an der Kreuzung von Frankfurter und Carl-Ulrich-Straße errichtet wurde. Hierfür wurden die Gleise 101 bis 103 gekürzt und der Lagerplatz der Firma Baustoff Müller (heute Bauzentrum Netzband) verlegt. In dem Gebäude befindet sich heute eine Postfiliale sowie diverse Dienstleistungsunternehmen.

Nachdem die ungenutzten Bahnanlagen für beinahe zwei Jahrzehnte brachlagen und das Gelände zwischenzeitlich von der Natur zurück erobert wurde begann man im Juni 2007 mit dem endgültigen Abbau der Gleise.